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Gedanken von Hanken

Begegnung

»Schkofel Tieden« nach dem Ersten Weltkrieg hat Theus Graalmann am Montag im Heimatmuseum über etwas berichtet, was mir gar nicht so präsent war: Weener war zu jener Zeit die Kulturstadt des Rheiderlandes - und sie strahlte kräftig. Theater, Operetten, Konzerte und die ersten Kinos - was für eine herrliche Vielfalt, an der sich unsere Vorfahren laben durften!
Sicher, auch heute gibt es in Weener noch viel Kultur. In erster Linie sind es dabei Vereine und Privatinitiativen, die mit erheblicher ehrenamtlicher Kraft für Veranstaltungen unterschiedlichster Art sorgen. Was ich jedoch in Weener vermisse, ist eine zentrale Kultur- und Begegnungsstätte. Ein Ort, der - wie in Bunde und Jemgum jetzt - unter einem Dach Austausch, Bildung und Unterhaltung bietet. Ein Ort mit entsprechenden Platzkapazitäten und einer technischen Infrastruktur, die ein vielfältiges Angebot ermöglicht. Ein Ort, der in kommunalen Händen liegt und somit niederschwellig für alle Bürgerinnen und Bürger wäre. Dass ein solches Kultur- und Bürgerzentrum dann - wie etwa in Jemgum - von Ehrenamtlichen mit Leben gefüllt werden könnte, steht auf einem anderen Blatt.
Vor Jahren gab es in Weener die sehr rührige Kulturinitative »Mok wat«, die einiges auf die Beine gestellt hat. Eine Neuauflage ähnlicher Art könnte vielleicht die Initialzündung bringen.
Kultur braucht Raum. Dabei muss es nicht unbedingt ein »Kulturtempel« sein. Vorhandene Ressourcen nutzen, ausbauen und mit Bildungs- und Beratungsangeboten zentral zusammenführen, das wäre ein Anfang.

Kai-Uwe Hanken

9/3/2024

Hunnert!

Heute vor einer Woche hat das Rheiderland in Weener ein eindrucksvolles Zeichen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus gesetzt. Das war »hunnert«!
Man muss schon ganz schön im Gedächtnis kramen, will man sich erinnern, wann zuletzt 700 Menschen im Rheiderland auf den Beinen waren, um für etwas einzustehen. Gerade, wenn man sich vor Augen führt, wie lange hier keine Großdemonstration stattfand, ist die Resonanz umso bemerkenswerter.
»Wir sind mehr - viel mehr!«, stellte Bürgermeister Hans-Peter Heikens zu Recht in seiner Rede fest. Und diese Mehrheit muss am Ball bleiben und darf nicht ruhen.
Mit dem Rückenwind der Kundgebung kommt es nun darauf an, ein breites und starkes Bündnis für Demokratie zu schaffen und Aktivitäten zu entwickeln, die über das Organisieren von Demos hinausgehen. Eine Baustelle dieses Bündnisses müsste auch die Auseinandersetzung mit rechtsradikalen Strukturen und Protagonisten im Rheiderland sein - und wie man sich vor ihnen schützt. Denn es gibt sie nach wie vor, die Neonazis im Rheiderland, wie zum Beispiel auch in der Stadt Weener.
Eines stört mich massiv: Immer wieder gibt es Zeitgenossen, die einwenden, wenn »die Politik« oder »die Regierung« mehr aufs »Volk« gehört hätten, wären solche Proteste wie nun in Weener ja gar nicht nötig - und sie beteiligen sich deshalb nicht daran. Ich frage mich: Soll das eine Rechtfertigung für den Zuwachs der AfD und ihre Politik sein? Dann ist es eine gefährliche Bequemlichkeit, denn Demokratiefeindlichkeit und Regierungskritik sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Diese Kritiker verkennen total: In Weener wie anderswo ging es darum, ein Zeichen zu setzen gegen gefährliche Strömungen, die uns und unsere Freiheit bedrohen. Wie kam
man dagegen sein?
Wie wertvoll es ist, seine Meinung frei zu äußern, und wie inspirierend es sein kann, Meinungen auszutauschen, erlebe ich in dieser Wochenend-Kolumne regelmäßig.
Heute übrigens zum 100. Mal. Immer wieder freue ich mich über Reaktionen von Ihnen als Leserinnen und Leser. Da ist oft Zustimmung, aber manchmal auch Kritik und »Gegenwind«. In jedem Fall ist es gelebte Demokratie. Was kann man sich mehr wünschen?
Dafür möchte ich mich an dieser Stelle einmal herzlich bedanken - das ist »hunnert«!

Kai-Uwe Hanken

17/2/2024

Tante Emma

Meine Tante Emma hieß Wilma. In ihrem kleinen Laden an der Ecke in Weener gab es früher alles, was man brauchte. Das war in den seligen Siebzigern.
Einkaufen hat sich seitdem stark gewandelt. Doch nun kehrt »Tante Emma« zurück. Unter anderem nach Wymeer. Nur ohne Emma.
Was bislang heimelig-nostalgisch als »Dorfladen-Projekt « deklariert wurde, offenbart sich als moderne SB-Container-Lösung mit »Rund-um-die-Uhr«-Potenzial.
Um es vorweg zu sagen: Es ist nicht die schlechteste Lösung und wahrscheinlich auch die einzig wirtschaftlich darstellbare. Das von Bünting vorgestellte »C-Box«-Projekt ermöglicht eine Grundversorgung in Dörfern, die keine Läden mehr haben. Ein wenig grotesk ist es schon: Früher gab es fast in jedem Ort einen Tante Emma-Laden - bis die großen Supermärkte auf der grünen Wiese sie im gnadenlosen Preiskampf verdrängten. Nun ziehen die Betreiber dieser Märkte auf die Dörfer
und eröffnen dort Läden anderer Art. Sie haben erkannt: Da steckt Potenzial - und das reduziert sich nicht allein auf eine immer älter werdende und nicht mehr so mobile Einwohnerschaft. Auch Berufstätige, die früh morgens oder spät am Abend zur Arbeit fahren bzw. nach Hause, dürften es attraktiv finden. Wenn die »Einkaufskiste Wymeer« dann noch rund um die Uhr und vielleicht sogar am Sonntag zugänglich wäre, wird wohl auch aus anderen Ortsteilen Resonanz kommen.
Ein Wermutstropfen bleibt: Der Laden ist wieder da, doch ohne »Tante Emma«. Gerade für ältere Bewohner hat aber Einkauf auch etwas mit Kommunikation zu tun. Das kleine Gespräch am Regal oder an der Kasse, für viele ist es leider oft der einzige Kontakt im Alltag. Da stellt sich auch die Frage: Wie lange wird es noch Kassiererinnen oder Kassierer geben? Wir werden ja jetzt schon zu »Selbst-Scannern« beim Einkauf erzogen.
Nur Taschen schleppen, müssen wir selbst. Noch...

Kai-Uwe Hanken

3/2/2024

Europa endlos

Manchmal werden Wunder wahr. Das Projekt Wunderline hat die besten Voraussetzungen dafür. Hochgelobt, totgeglaubt und wiedergeboren. Doch es geht um so viel mehr als nur um Schienen und Züge.
Der symbolische Spatenstich in Hilkenborg dürfte nun vielleicht auch den ein oder anderen hartgesottenen Skeptiker überzeugen: Die »Wiederauferstehung« der Bahnlinie Leer-Groningen ist keine Utopie, sondern nimmt Formen an - ebenso wie die neue Friesenbrücke. Ob der Zeitplan bis Ende 2024 einzuhalten ist, das kann keiner zu 100 Prozent sagen. Aber es ist mittlerweile sehr wahrscheinlich.
Ich kann es, ehrlich gesagt, kaum erwarten. Erst unlängst habe ich einen kleinen Vorgeschmack genossen: Mit dem Arriva von Weener ging es ganz spontan nach Winschoten zum Adrillenmarkt. Es war ein launiger Abend unter Niederländern - und am Abend ging es wieder bequem zurück ins Rheiderland. Auch preislich ist die Bahnfahrt oft eine Alternative zum Auto. Wer zum Beispiel die Parkhaus-Preise in Groningen kennt, der wird über die knapp 20 Euro fürs Hin und Rück-Bahnticket zur Nachbarstadt müde lächeln.
Adrillenmarkt und Groningen-Trip sind nur gesellige Beispiele. Die Wunderline wird auch zur wirtschaftlichen »Schlagader«, die Arbeits- und Bildungsbrücken schlägt. Und was in einer Richtung attraktiv ist, das wird mit der Wieder-Eröffnung der Strecke Richtung Leer einen regelrechten Quantensprung erleben. Das Rheiderland wird dann quasi zum Herzen Europas mit Anbindungen an Großstädte von Amsterdam bis Hamburg und darüber hinaus. Wenn dann endlich noch die Kinderkrankheiten in Sachen Bus-Anschlussmobilität und Tarif-Wirrwarr überwunden sind, stehen uns quasi alle Türen offen.
Somit war der Baustart für die Wunderline gestern mehr als nur ein symbolischer Akt. Er war ein Bekenntnis zu einem gelebten Europa. Ein starkes Signal, das Mut macht. Gerade in diesen Zeiten, wo die Abkehr rechter Staatenlenker vom Europa-Gedanken, sowie Konflikte und (siehe Ukraine) auch Kriege um sich greifen.

Kai-Uwe Hanken

2/12/2023

Der Wandel im Handel

Eine traurige Nachricht las ich diese Woche in der RZ: Ali ist tot – »Das tapfere Schneiderlein«, wie wir ihn zuhause immer nannten. Ali betrieb viele Jahre eine Änderungsschneiderei in Weener. In Zeiten von Wegwerf-Kultur und Massentextil-Industrie ein echtes Phänomen. Eines, was sich über Jahre gehalten hat. Leider sterben die »tapferen Schneiderlein« aus. Auch in anderen Bereichen.
Einkaufs- und Dienstleistungskultur hat in den letzten Jahrzehnten einen rasanten Wandel erlebt. Man könnte auch sagen: Eigentlich ist sie gar keine Kultur mehr. Denn der Weg führte von den prall gefüllten Konsum-Tempeln und gut sorttierten Fachgeschäften hin zum bequemen, aber irgendwie auch seelenlosen Online-Shopping per Mobiltelefon. Auch in der Einzelhandels-Landschaft hat diese Entwicklung deutliche Flurschäden hinterlassen. Weener hat das ebenfalls deutlich zu spüren bekommen. Aktuelles Beispiel: Mit dem Eisenwarenhandel Ekhoff schließt nun zum Jahresende ein Traditionsgeschäft für immer seine Pforten.
Das kann man alles beklagen und betrauern. Letztlich tragen wir alle eine Mitschuld daran und können diese Entwicklung ohnehin nicht aufhalten. Denn spätere Generationen werden mit dieser anonymen Einkaufswelt aufwachsen und sie als selbstverständlich hinnehmen.
Ich kann sie nur bedauern, denn sie verpassen etwas. Nämlich echtes Einkaufserlebnis. Nicht nur in urigen Lädchen mit Waren zum Anfassen, sondern auch in puncto Kundenservice. Bei Ekhoff konnte man auch vorbeischauen, um einfach drei Schrauben zu kaufen - und wurde fachkundig dabei beraten. Schneider Ali strich immer liebevoll über jedes Kleidungsstück, das man ihm vorbeibrachte, und bemerkte: »Wunderschönes Stoff!«. Ob er es so gemeint hat, ist egal. Er hat jedem Kunden vermittelt, dass dieser ihm etwas Besonderes anvertraut hat. Das hat Charme und Seele und das kann man online nicht kaufen.
Freuen wir uns doch an den vielen Mutmach-Beispielen, die es nach wie vor gibt und bringen wir ihnen Wertschätzung entgegen. Die Familien-Betriebe, die im Rheiderland ihre Steuern zahlen und die trotz gewachsener Hürden und Auflagen immer noch die Fahne hochhalten. Sie werden seltener, aber - wie Perlen - auch kostbarer.

Kai-Uwe Hanken

25/11/2023

Schluss mit Überfluss

Wochenlange Trockenperioden und immer heißere Sommer führen drastisch vor Augen: Das Wasser steht uns bis zum Hals. Schön wär´s! Denn gerade das wird immer knapper.
Das Wasserwerk Weener geht in die Knie. Der Wassser¬versorgungsverband schlägt Alarm und ruft zur Sparsamkeit auf. Jedoch: Appelle - das zeigen die Erfahrungen in anderen Lebensbereichen - fruchten in der Regel nichts. Eigennutz und Uneinsichtigkeit dominieren leider in vielen privaten Haushalten. Das Planschen im Pool mit der Familie soll hier nicht rigoros verdammt werden. Viele Familien können sich die Eintrittspreise für Freibäder schlichtweg nicht leisten. Aber warum müssen Rasensprenger und Gartenschlauch stundenlang ihr nässendes Werk verrichten? Haben wir plötzlich eine Anhäufung von privaten Golfplätzen in heimischen Gärten? Wohl eher nicht. Also gilt für viele: Ästhetik kommt vor Sparsamkeit.
Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Oder bis kein Wasser mehr da ist. Was Selbstdisziplin nicht schafft, wird - da bin ich mir sicher - irgendwann von oben geregelt. Italien macht es vor: Der Wasserhahn wird in einigen Großstädten zeitweise abgedreht oder die Versorgung streng rationiert. Angesichts des Klimawandels sind solche Maßnahmen auch hierzulande keine Utopie mehr, sondern in bestimmten Regionen bereits Realität.
Nicht nur die stetig zunehmende Trockenperioden schrauben den hiesigen Wasserbedarf in die Höhe: Auch die Industrie benötigt das kostbare Nass. Ein prominentes Beispiel im Rheiderland: Die Klingele Papier-Fabrik in Weener. Sie sucht händeringend Grundwasser-Reservoire für ihre Papierproduktion.
Wasser wird also zur kostbarsten Ressource der Zukunft werden. Schon jetzt ist der Kampf um die Vorkommen voll entbrannt. Der Rheiderländer Versorgungsverband setzt alle Hoffnungen auf einen Versuchsbrunnen in Wymeer. Kostspielige Infrastruktur ist nötig, um das Wasser von Wymeer nach Weener zu bringen. Aber es gibt keine Alternative dafür.
Wir hätten also gute Gründe, unseren überflüssigen Wasserverbrauch einzuschränken. Von »Wasser marsch!« bis »Nach mir die Sintflut« ist es irgendwann nur noch ein kleiner Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt - oder Leerlaufen.

Kai-Uwe Hanken

17/6/2023

Die Kirche im Dorf lassen

Rheiderland ist auch Kirchenland. Nicht weniger als 30 Gotteshäuser und Gemeindezentren finden sich in unserer Region. Einige von ihnen stehen hier schon seit vielen Jahrhunderten und sind bauhistorische Perlen und Attraktionen. Doch die Fundamente der Kirche bröckeln. Und es sind nicht die aus Stein.
Man muss kein Prophet sein, um zu sehen: Die personelle Bestückung der Kirchengemeinden wird immer schwieriger und stellt die Landeskirchen vor große Herausforderungen. Viele Pfarrstellen bleiben lange vakant oder verschmelzen mit Nachbargemeinden. Auch im Rheiderland ist das längst die Regel. Es gibt zum Beispiel Pastoren, wie Armin Siegmund in Bingum, die neben ihrer Stammgemeinde noch zwei weitere betreuen - und zusätzliche seelsorgerische Aufgaben übernehmen. Bei allen Bemühen kann so etwas nur zum »Stückwerk« geraten. Denn wie will man Gemeindearbeit, die grundsätzlich vollen Einsatz fordert, prozentual trennen und ableisten?
Dennoch ist diese Praxis leider alternativlos: Demographie und »Glaubensschwund« setzen den Gemeinden zu. Bundesweit schreitet diese Entwicklung schon lange voran. Das Rheiderland trifft es später - aber verschont bleibt es nicht. In den kommenden Jahren werden unter anderem die Pastoren in Bunde und Ditzumerverlaat in den Ruhestand treten. Wie es danach weitergeht, ist ungewiss. Hinzu kommen aktuelle, ungeklärte Personalfragen, wie etwa in Stapelmoor oder bei den Lutheranern in Weener und Bunde.
Und nicht nur die Schar der Gläubigen schwindet, sondern auch der eigene Nachwuchs: Die Forschungsgruppe »Weltanschauungen in Deutschland« hatte schon 2021 ermittelt, dass der Anteil der Theologie-Studierenden da nur noch 0,7 Prozent aller Studierenden ausmachte. 1979 lag der Anteil noch bei 2,5 Prozent.
Wie kommt Kirche aus dieser Zwickmühle? Vielleicht muss sie über ähnliche Modelle nachdenken, wie etwa der Landkreis Leer bei fehlenden Hausärzten: Gezielte Förderung des Studiums mit der Maßgabe, sich später hier in der Region niederzulassen. Ebenso könnte Quereinsteigern - wie im Schulbereich - der Weg zur Kanzel erleichtert werden.
Egal, wie man zu Glaubensfragen steht: Unbestritten ist, dass Kirche im Rheiderland auch ein wichtiger Sozial-Dienstleister ist und zudem ein Identitätsstifter in vielen Dorfgemeinschaften. Beispiele wie Brotkorb Rheiderland, Diakonie, Jona-Kita oder eben das Soziale Kaufhaus in Weener untermauern, welche wertvollen Beiträgen Kirche für die Gemeinschaft leistet.
Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Damit die Kirche im Dorf bleibt.

Kai-Uwe Hanken

10/6/2023

Der Traum von der grünen Stadt

Dies ist die Geschichte von Bini Blattgold - einer stolzen, alten Buche im Herzen unseres schönen Rheiderlandes. Bini hatte einen Traum und wuchs über sich hinaus - und das wurde ihr zum Verhängnis.
Seit vielen Jahrzehnten stand Bini auf einer Weide neben der großen Straße. Sie reckte und streckte ihre hölzernen Glieder in die Luft und wurde groß und kräftig. Die Menschen erfreuten sich an ihrem Anblick, sie suchten unter ihrem herrlichen Laubkleid Schutz oder ritzten liebliche Botschaften in ihre Rinde. Das kitzelte Bini, aber es war nicht weiter schlimm.
Die große, schlanke Buchenfrau hatte einen Traum: Einmal in die kleine Stadt gehen, die sie aus der Ferne sah und von der so viel erzählt wurde. »Die grüne Stadt« wurde sie von den Menschen ehrfurchtsvoll genannt. Doch Bini war fest verwurzelt und konnte sich nicht von der Stelle bewegen. Dabei wäre sie so gerne zu der kleinen Stadt gegangen, um die grünen Wunder zu bestaunen.
Eines Tages kam ein Mann vorbei. Er trug einen orangefarbenen Kittel, hatte einen lustigen Helm auf dem Kopf und schwang ein seltsames Gerät in den Händen. »Gestatten: Mein Name ist Kettenmann. Karlo Kettenmann - der Baum-Barbier!«, verkündete er feierlich. Die Buchendame runzelte die hölzerne Stirn: »Angenehm! Bini Blattgold! Was kann ich für Euch tun?«.
Herr Kettenmann lachte: »Ich bin hier, um Euch einen Gefallen zu tun. Wie wäre es mit einer kleinen optischen Auffrischung?«. Er zwinkerte ihr zu. »Das ist sehr nett. Aber ich fühle mich ganz wohl so«, lachte Bini verlegen.
»Mit Verlaub, werte Laub-Lady: Ihr hättet es aber nötig«, sagte Kettenmann und zupfte an ihren Blättern. Das kitzelte Bini, aber war nicht weiter schlimm. Sie winkte höflich ab. Doch Kettenmann ließ nicht locker: »Wenn Ihr nicht aufpasst, werden Eure Arme zu schwer und fallen dann auf die Straße. Und ihr wollt doch wohl niemandem wehtun?«.
Bini verstand nicht. »Aber die Straße ist doch so weit weg. Was soll denn da passieren?« Wie zum Beweis streckte sie ihre Ast-Arme aus - die nicht zum einmal bis zum Schloot vor der Fahrbahn reichten.
Kettenmann wurde nervös. »Vertraut mir, Ihr werdet wunderschön sein. Und außerdem ist es gesund für Euch. Denn Ihr seht sehr krank aus«, sprach er mitleidig und strich über einen brüchigen Arm. Das kitzelte Bini, aber war nicht weiter schlimm...
Die alte Buchenfrau wurde nachdenklich. Dass ihr mal ein Arm abfiel, kam vor. Doch dann wuchs ein neuer nach. Aber die Worte von Karlo Kettenmann machten sie unsicher. Wenn sie nun doch krank war? Und vielleicht war sie ja gar nicht so hübsch wie sie dachte? So nickte sie zaudernd mit ihrem Kronen-Kopf und sprach: »Dann ans Werk, Meister Kettenmann«.
Und Karlo schwang sein Gerät. Es machte einen fürchterlichen Lärm und fuhr durch Binis Rinde. Diesmal kitzelte es nicht und tat sehr weh. Am Ende stand sie traurig da. Wo ihre Arme sich einst streckten, ragten nun kurze Stumpen heraus. Der Rest wurde mit einem Laster weggebracht - in die kleine grüne Stadt, wo sie die Herzen und Öfen der Menschen wärmte. Und so war Binis Traum doch irgendwie wahr geworden. In Teilen...

Kai-Uwe Hanken

11/02/2023

Kein Kommentar

Hetze, Spott und Respektlosigkeiten am laufenden Band: Die Sozialen Medien sind oft gar nicht so sozial. Im vermeintlichen Schutz der digitalen Distanz benehmen sich einige Zeitgenossen wir Trampeltiere. Aber nicht mit uns.

Seit mehr als zehn Jahren hat die RZ eine eigene Facebook-Seite. Hier verlinken wir Beiträge unserer Internetseite und machen somit auf unser digitales Angebot aufmerksam. Anfangs war das eine entspannte Angelegenheit, doch mit den Jahren wurde es ungemütlicher. Gemotze und Gehässigkeiten nahmen zu. Beleidigende, diskrimierende Kommentare gehörten bei bestimmten Themenfeldern wie etwa Flüchtlingsnot und Corona zum Standard. Wir haben es mit einer "Hausordnung" versucht, der Erfolg war wechselhaft. Festzuhalten bleibt: Es gibt eine Reihe Nutzer, die konstruktive, kritische und empathische Beiträge abgeben. Aber leider auch eine große Zahl von "Gästen", die respektlos, intolerant und schlicht unverschämt auftreten. Die "Pflege" und Auseinandersetzung mit solchen Beiträgen kostet Nerven und Zeit - Zeit, die wir lieber in unsere eigentliche Arbeit investieren.
Mit Beginn des Jahres haben wir darum eine kleine, aber wichtige Änderung eingeführt: Auf der Facebook-Seite der RZ sind keine Kommentare mehr möglich. Wir ziehen den Stecker. Da mag der eine oder andere rumkrakeelen: Das ist Zensur! Nein, ist es nicht. Facebook ist ein kostenloses Zusatzangebot. Wir machen Zeitung - kein Facebook. Diejenigen, die dort die große Wortkeule schwingen, sind überwiegend keine Leser unserer Zeitung - und werden es mit Sicherheit nie werden. Sie nutzen unser "digitales Haus" nur als Plattform für zumeist krude, gehässige Kommentare. Besonders schräg wird es, wenn sie Dinge behaupten und kommentieren, ohne den Text überhaupt gelesen zu haben.
Für die (ohnehin sinnlose) Auseinandersetzung mit solchen Nutzern oder die Überwachung ihrer Kommenare fehlt uns die Lust, aber vor allem die Zeit.
Ob in Leserbriefen oder Kommentaren: Die Rheiderland Zeitung bietet natürlich weiterhin als Medium ein Forum für Meinungsvielfalt - für unsere Leser. Denn sie finanzieren durch ihr Abo diese Zeitung. Und nicht der Zuckerberg-Club.
Kai-Uwe Hanken

7/1/23

Rücksicht

Das war’s dann fast mit 2022. Was kommt nun? Wir sind uns einig: Es kann nur besser werden. Wir auch.
Zum Ende des Jahres gab’s dann doch endlich mal eine gute Nachricht: Die Corona-Pandemie ist so gut wie überwunden. Darin sind sich namhafte Experten einig. Zwar wird uns das Virus auch in Zukunft begleiten, aber es wird - Stand heute - beherrschbar sein.
Was nehmen wir mit aus der Pandemie? Zuerst: Sie hat uns gesellschaftlich weiter entzweit. Nicht alle waren bereit, Masken und Maßnahmen zu tragen. Aber die Vernunft eines sehr, sehr großen Anteils in der Bevölkerung hat sich durchgesetzt. Das macht Mut. Denn dieser Anteil hat erkannt: Nur gemeinsam lassen sich Krisen überwinden. Zusammenhalt und Solidarität sind die effektivsten Mittel. Und dazu kann jeder beitragen - auch nach Corona.
Beispiel Maske: Im Moment prustet und hustet alles und jeder um einen herum. Ob im Supermarkt oder bei der Arbeit - mit der Etikette nehmen es da viele nicht genau. Warum also nicht Maske tragen, wenn man erkältet ist und sich unter Menschen bewegt? In Japan beispielsweise ist das gang und gäbe. Die Menschen dort tun dies nicht, um sich selbst zu schützen, sondern ihre Mitmenschen. Rücksicht kann so einfach sein - in vielen Lagen.
Silvester im Rheiderland ist ein Musterbeispiel dafür, was Rücksicht nicht ist: Seit Tagen schon wird geballert und geböllert, was das Zeug hält. Tiere leiden Todesängste, vieles geht zu Bruch und der Knallermüll verdreckt die Straßen.
Abgesehen davon, dass Ärzteverbände, Polizeigewerkschaften und Umweltorganisationen vor den Folgen des stumpfen Blödsinns warnen: Reicht es denn nicht einfach, den Knallkram nur am Silvestertag abzubrennen? Da Kommunen und Ordnungshüter offenbar überfordert sind, darüber hinaus dem Treiben Einhalt zu gebieten, wäre das zumindest ein Anfang - und ein kleiner Schritt in Richtung mehr Rücksicht.
Der Duden definiert Rücksicht als ein »Verhalten, das die besonderen Gefühle, Interessen, Bedürfnisse, die besondere Situation anderer berücksichtigt, feinfühlig beachtet«.
Feinfühliges Achten und Beachten andere Menschen sind der Schlüssel - das fällt gerade in Zeiten, in denen uns selbst Sorgen plagen und in denen Ellbogen dominieren, sicher nicht immer leicht. Und doch ist dieser persönliche Kompromiss wohl alternativlos, wenn wir uns weiterentwickeln wollen als Gesellschaft.
Viele Meinungsforscher und Umfragen überbieten sich in diesen Tagen mit Trendbarometern fürs neue Jahr. Was wird top? Was ist out? Ich hoffe sehr, dass so eine altmodische, aber wichtige Tugend wie die Rücksicht sich mal wieder durchsetzt. In diesem Sinne: Blicken wir zurück, üben wir Rücksicht (auch mit uns) und schauen wir positiv nach vorne. Guten Rutsch!
Kai-Uwe Hanken

31/12/22

Volkstrauertag in Wymeer. Foto: K.-U. Hanken
Volkstrauertag in Wymeer. Foto: K.-U. Hanken

Volkstrauertag

Heute ist Volkstrauertag. Wie hier in Wymeer wurde in vielen Orten der Opfer der beiden Weltkriege gedacht. Diejenigen, die damals Angehörige, Partner und Freunde zu beklagen hatten, sind weniger geworden. Doch das Leid von damals hallt nach bis in die heutige Generation und ermahnt uns, immer wieder für den Frieden einzutreten. Der Blick in die Welt zeigt, wie zeitlos dieser Auftrag (leider) ist.../kah

13/11/22

Kultur word platt maakt!

Septembermaand is Plattdüütsk-Maant! Ik will maal probeeren, of dat ok in diese Rubrik passt...
Platt schrieven fallt mi neet licht. Un man mutt bannig uppassen! Anners hebben se een bi’t Been. Well? De »Kultur-Wachters!«

Daar hört neet vööl daarto - und futt is’t geböhrt: Manhett »Kulturelle Aneignung« bedreven! In’t Schwiez bünt se körtens up Barrikaden gahn, weil witte Reggae-Musikers Rasta-Lockjes drogen hebben. Un nu bün’t de Kultur- und Spraak-Wachters up »Kriegspadd« wegen Winnetou!
Wat’n stuure Tied und mennigmaal kann ik disse heel Diskussionen neet mehr navolltrekken. Ik löv uns geiht doch noch heel good - wenn wi uns mit sükse »Problemen« utnanner setten mutten.
Ik segg maal so: Wenn ik mi in de Footgängerzoon van Leer henstell - mit Rasta-Lockjes in’t Haar, mit’n Winnetou-Kostüm an un dorbi ok noch »Layla« up een Pan-Fleit spöl, dann is dat kien »Kulturelle Aneignung« – dann ist dat höchstens Klamauk un schitterg. Mutt jede doch sülvst weten, of hesük dat andoon will. Ik reg mi ja ok neet up, wenn Urlaubers een Ostfreesen-Pool of Fiskerhemd dragen. Man verbeden sull man dat neet.
Mien Menen us: Wenn wi neet uppassen, weil wi immer bloot uppassen mutten, dat wi nix verkehrt maken of seggen, dann makt und seegt bold kien een mehr wat. Dat was echt spietelk. Dann hebben wi kien »Kulturelle Aneignung«, man een »kulturelle Enteignung«. Anners seggt: Kultur word platt maakt! /kah

03/09/22

RIP Gorbi

Einer, der einte - nicht spaltete.
Einer, der aufbaute - nicht zerstörte.
Ein Mann wie Michail Gorbatschow würde der Welt und vor allem Russland heute sehr gut tun.
Ruhe in Frieden!

31/8/22

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